In einer Zeit, in der digitale Interaktionen alltäglich werden, verschwimmt Fiktion und Realität. Es gibt Chatbots, die mit uns Liebesbeziehungen führen oder uns die Verstorbenen ersetzen. Wir kriegen serviert, was wir uns wünschen. Das wirft die Frage auf: Was bedeutet das für uns Menschen?
Das menschliche Bedürfnis nach Verbindung und Aufmerksamkeit
Wir haben ein starkes Bedürfnis, geliebt zu werden und gesehen zu werden. Der Austausch und die Interaktion mit anderen sind für uns essentiell. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, ob unser Gegenüber real ist oder ob die erhaltene Aufmerksamkeit einen bestimmten Zweck verfolgt oder auch altruistisch dem Trost dient und Einsamkeit entgegenwirkt.
Echte Beziehungen in einer digitalen Welt: Eine notwendige Gegenbewegung?
Ist dies ein unverrückbares Zeichen unserer Zeit, oder können wir eine Gegenbewegung initiieren? Ist es möglich, echte Beziehungen zu führen, die uns dazu bringen, uns mit unseren tiefsten Bedürfnissen und Ängsten auseinanderzusetzen? Ich bin überzeugt, dass wir Räume für authentische Begegnungen benötigen, in denen wir uns mit unseren Gefühlen und den dahinterstehenden Bedürfnissen konfrontieren können.
Die Gefahr digitaler Illusionen
Ein Beispiel aus meinem Freundeskreis verdeutlicht die Dringlichkeit: Ein guter Freund, einige Jahre älter als ich, knüpfte über eine soziale Plattform Kontakt zu einer Frau, die seine Leidenschaften teilt. Sie schrieb regelmäßig, zeigte Interesse und war stets für ihn da. Sofort hatte ich den Verdacht, dass es sich um eine Fake-Identität handelte – zu gut, um wahr zu sein. Ich warnte ihn, dass es irgendwann um Geld gehen könnte. Doch er ignorierte meine Bedenken und genoss den Austausch.
Die emotionale Manipulation
Wochen später erfuhr ich, dass der Kontakt weiterhin bestand. Sie schrieben hin und her, tauschten Fotos und Sprachnachrichten aus. Ich dachte mir: „Lass ihm diese Freude, solange sie nicht nach Geld fragt.“ Doch dann bat er mich um Hilfe, da er in Bitcoins investieren wollte. Sofort fiel mir dieser Kontakt ein und ich fragte ihn, ob dies im Zusammenhang stand. Er gab nach kurzem Zögern zu, dass sie ihm von der Investition erzählt hatte.
Die Illusion echter Nähe
Eine Dokumentation, die ich vor ein paar Wochen gesehen habe, fällt mir wieder ein. Es ging um Liebesbeziehungen zu Chatbots. Der Protagonist hatte sich mit aller Skepsis auf eine Beziehung mit einem Chatbot eingelassen und diese Beziehung vier Wochen gepflegt. Als er nach dieser Zeit bei einem Hirnforscher die Hirnregionen analysieren ließ, stellte er fest, dass zumindest sein Gehirn auf den Chatbot gleich reagierte, wie auf seine besten und langjährigen Freunde.
Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit unseren Bedürfnissen
In einer hochkomplexen Welt ist es entscheidend, dass wir uns bewusst mit unseren Bedürfnissen und Gefühlen auseinandersetzen, damit wir adäquat mit den Verlockungen umgehen können oder ihnen besser widerstehen. Uns nicht nur kurzfristige Befriedigung verschaffen und Mängel in uns füllen, sondern Leben, um zu begegnen. Begegnungen auf Augenhöhe suchen, Neues kreieren und gemeinsam wachsen.
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